Tim Jackson, Professor für Nachhaltige Entwicklung am Zentrum für Umweltstrategien der Universität Surrey, glaubt, dass die Konsumgesellschaft wild entschlossen zu sein scheint, auf die Klimakatastrophe zuzusteuern. Das System lässt sich seiner Meinung nach allerdings auch nicht so einfach umbauen. Eine komplette Kehrtwende könnte die Menschheit sogar noch schneller ins Verderben führen. Änderungen in kleinen Schritten reichen aber mit Sicherheit auch nicht. Gar nichts bringt es, sich in eine Art Fatalismus zu flüchten, das heißt, hinzunehmen, dass der Klimawandel unausweichlich, die Welt ungleich ist, sich vielleicht sogar mit dem kommenden gesellschaftlichen Zusammenbruch abzufinden. Der Nachhaltigkeitsexperte hält diese Reaktion zwar für verständlich, auf keinen Fall für konstruktiv, da sie nicht unausweichlich ist. Es gibt immer Alternativen, auch wenn manche Politiker das Gegenteil behaupten.
Die Menschheit muss sich vom kurzfristigen Denken verabschieden
Tim Jackson schreibt: „Wir stoßen allerorten auf Unmöglichkeitstheoreme: Volkswirtschaften können nur überleben, wenn sie wachsen; die Menschen werden den Materialismus nicht aufgeben; der Staat hat keine Macht einzugreifen. Und doch kommt es immer wieder vor, dass unumstößliche Wahrheiten sich bei genauerer Betrachtung auflösen. Man kann sich tatsächlich eine andere Makroökonomie vorstellen. Menschen können auch ohne ein Mehr an Dingen gedeihen. Regierungsführung muss und kann neu gedacht werden. Eine andere Welt ist möglich.“
Die Weltwirtschaftskrise beschert laut Tim Jackson der Menschheit die einmalige Gelegenheit, in einen nachhaltigen Wandel zu investieren, das kurzfristige Denken, dass die Gesellschaft über Jahrzehnte gequält hat, aufzugeben und es durch eine intelligente Strategie zu ersetzen, die es ermöglicht, die gewaltigen Herausforderungen wie den Kampf gegen den Klimawandel und die Sicherung bleibenden Wohlstands, zu bestehen. Die Vision ist eine Sache, die Umsetzung eine andere. Tim Jackson erklärt: „Im Grunde gibt es nur zwei Möglichkeiten, Veränderungen dieser Tragweite zu erreichen. Die eine ist eine Revolution, die andere die mühsame Arbeit, die Gesellschaft umzugestalten.“
Hinter den Kulissen der Revolution lauert meist eine neue Barbarei
Es gibt Menschen, die eine Revolution für den einzigen Ausweg halten. Sie ist ihrer Meinung nach die unvermeidliche Folge der anhaltenden gesellschaftlichen und ökologischen Funktionsstörungen. Sie wollen den Kapitalismus abschaffen und lehnen die Globalisierung kategorisch ab. Sie wollen die Macht der Konzerne brechen und korrupte Regierungen stürzen. Sie möchten die alten Institutionen abschaffen und ganz neu anfangen. Dieser Weg ist laut Tim Jackson allerdings gefährlich, da hinter den Kulissen eine neue Barbarei lauert. Er stellt sich die Frage, wie lange die Menschheit in einer solchen Welt eine zivilisierte Gesellschaftsordnung aufrechterhalten kann, wenn zuvor alle institutionellen Strukturen vernichtet worden sind.
Tim Jackson schreibt: „Eine Revolution abzulehnen, heißt nicht, den bestehenden Zustand hinzunehmen oder nur langsam kleine Veränderungen zuzulassen.“ Auch er vertritt die Meinung, dass auf die Menschheit eine gewaltige Umgestaltung zukommt. Dieser Wandel muss laut Tim Jackson allerdings in konkreten Schritten erfolgen, und dazu brauchen Staaten Regierungen und all diejenigen, die politische Strategien entwerfen oder beeinflussen können. Ohne breiten, öffentlichen Dialog wird dieses Ziel nicht zu erreichen sein.
Von Hans Klumbies