Der Ökonom Hans-Werner Sinn glaubt, dass das Bankensystem noch immer angeschlagen ist, weil in ihren Bilanzen weiterhin hohe Risiken versteckt sind. Seiner Meinung nach, kommen deswegen die Reformen des Finanzmarktes nicht richtig voran. Hans-Werner Sinn kritisiert: „Noch immer ist das Rahmensystem für Banken nicht streng genug.“ Die Banken müssen zwar nach den neuen Regularien von „Basel III“ jetzt drei Prozent ihrer gesamten Bilanzsumme durch ihr Eigenkapital abdecken. Doch laut Hans-Werner Sinn ist das immer noch zu wenig. Er fordert mindestens fünf Prozent Eigenkapitaldeckung, da das US-Bankensystem während der Finanzkrise 4,7 Prozent der gesamten Bilanzsumme abschreiben musste. Nach wie vor haben viele Banken zu wenig Eigenkapital.
Es darf keine Vollkaskoversicherung gegen eine Staatsinsolvenz geben
Hans-Werner Sinn fordert, dass künftig auch Hedgefonds verpflichtet werden sollten, Eigenkapital zu unterlegen. Da es diese Regeln noch nicht gibt, sind sie für ihn eine große Industrie, die vom Glückspiel lebt. Hans-Werner Sinn sagt: „Oft betreiben Hedgefonds Leerverkäufe, um irgendwelche Kurse nach unten zu drücken. Das destabilisiert die Märkte.“ Er plädiert für die Begrenzung der Leerverkäufe, da durch sie verzerrte Preise entstehen.
Die Liquiditätshilfen für Griechenland waren laut Hans-Werner Sinn nicht sinnvoll, weil die Banken nicht beteiligt wurden. Wenn sie gleich mit zur Kasse gebeten worden wären, würden sie in Zukunft mit größerer Vorsicht agieren. Hans-Werner Sinn erklärt: „Der Rettungsschirm darf nicht zur Vollkaskoversicherung gegen die Staatsinsolvenz werden. Sonst verschulden sich die Staaten auch weiterhin hemmungslos, und zum Schluss wird Europa von einem Schuldenberg erdrückt.“
Die Finanzkrise ist noch nicht überwunden
Welche Gefahren von der Finanzkrise noch immer ausgehen, sieht man laut Hans-Werner Sinn an Irland. Dort gab der Staat den Banken vor zwei Jahren ein Schutzversprechen in der Höhe seines zweieinhalbfachen Sozialprodukts. Die irische Regierung ging damals davon aus, dass die Banken niemals gerettet werden müssten. Zwei Jahre später waren die irischen Banken pleite und Irland stand finanziell am Abgrund. Damals wäre es besser gewesen, zwischen dem Staat und den Banken einen Schutzwall zu errichten.
Dieses Beispiel sollte für alle Regierungschefs in Europa ein warnendes Beispiel sein. Hans-Werner Sinn erläutert: „Wenn wir eines Tages neben Spanien auch noch Italien retten müssten, wären auch wir pleite, denn die italienischen Schulden sind genauso groß wie unsere. Dann bräche alles mit einem großen Knall auseinander.“ Hans-Werner Sinn fordert, dass jedes Land selbst für seine Schulden aufkommen muss und erst gar nicht zu viele machen darf. Verletzungen der Regeln müssten automatisch bestraft werden.
Kurzbiographie: Hans-Werner Sinn
Der 62 Jahre alte Wirtschaftsprofessor Hans-Werner Sinn gehört zu den bekanntesten Ökonomen in Deutschland. Seit 1999 leitet er das renommierte Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung in München. Zu seinen erfolgreichen Büchern zählen unter anderen „Die Basarökonomie“ (Econ, 2005) und der „Kasino-Kapitalismus“ (Econ, 2009).
Von Hans Klumbies