Für den amerikanischen Ökonomen Joseph Stiglitz ist die Finanzkrise in Europa noch lange nicht ausgestanden. Auch für die Weltwirtschaft gibt es eine ganze Reihe von Gefahren. Doch die größten Sorgen macht sich der Wirtschaftsnobelpreisträger über Europa, da die meisten Regierungen sparen. Joseph Stiglitz erläutert: „Das verstärkt den Abschwung. Europa droht die zweite Rezession in kurzer Zeit. In den nächsten Jahren wird es wirklich hart. Aber langfristig hat der Kontinent eine große Zukunft.“ Joseph Stiglitz ist ein scharfer Kritiker des europäischen Krisenmanagements, weil sich die Politiker nur darauf konzentriert haben, Südeuropa zum Sparen und Reformieren zu drängen. Der amerikanische Wirtschaftsforscher Joseph Stiglitz gilt als einer der einflussreichsten Ökonomen der Welt. Er lehrt an der New Yorker Columbia University. Im Jahr 2001 erhielt er den Nobelpreis für ein Werk über Informationsökonomie.
Einsparungen können die Finanzprobleme in Europa nicht lösen
Joseph Stiglitz vertritt die These, dass Demokratien nur ein begrenztes Maß an Einschnitten vertragen, ohne dafür Erfolge zu sehen. Er geht davon aus, dass Wut und Unzufriedenheit in den Krisenländern weiter zunehmen werden – erst recht, wenn eine Rezession eintritt. Joseph Stiglitz erklärt: „Denn durch den Abschwung sind die Steuereinnahmen geringer als erwartet und die Sozialausgaben höher. Immer wieder werden die Sparziele verfehlt.“ Wenn Brüssel immer härtere Einschnitte verlangt, muss dieser Kurs seiner Meinung nach scheitern.
Für Joseph Stiglitz gibt es weltweit kein einziges Beispiel dafür, dass Kürzungen von Löhnen, Renten und Sozialleistungen ein krankes Land gesunden lassen. Die Chancen, dass weitere Einsparungen die Probleme in Europa lösen, liegen seiner Meinung nach nahe null. Joseph Stiglitz fordert deshalb: „Die Regierungen sollten in schlechten Zeiten die Staatsausgaben nicht senken, sondern erhöhen. Das Haushaltsdefizit muss nicht einmal größer werden, wenn gleichzeitig die Steuern steigen. Dann kann die Wirtschaft um ein Vielfaches des eingesetzten Geldes wachsen.“
Der Staatsbankrott gehört zum modernen Kapitalismus
Joseph Stiglitz verurteilt den strikten Sparkurs der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihrer Anhänger. Seiner Meinung nach müssten die Politiker endlich erkennen, dass dies der falsche Weg ist, da eine Überdosis Sparen nur noch alles schlimmer macht. Der Nobelpreisträger erkennt aber an, dass der Schuldenstand in Griechenland, Portugal und Irland natürlich zu hoch ist. Aber anstatt diesen Ländern sofort mit Krediten zu helfen, wäre für diese Staaten eine sofortige Umschuldung der richtigere Weg gewesen.
Der Schuldenerlass für Griechenland ist für Joseph Stiglitz viel zu gering ausgefallen, da die europäischen Politiker Angst vor der Pleite hatten. Aber der Staatsbankrott gehört seiner Meinung nach zum modernen Kapitalismus. Deshalb hätte man Griechenland pleite gehen lassen sollen. Joseph Stiglitz stellt fest: „Es wird immer offensichtlicher, dass die Politiker Europas trotz all ihrer Bekenntnisse zum Überleben des Euro nicht wirklich wissen, welche Maßnahmen zum Fortbestand der gemeinsamen Währung erforderlich sind.“
Von Hans Klumbies