Ein deregulierter Markt mit einer Liquiditätsschwemme und niedrigen Zinsen, eine globale Immobilienblase und das sprunghaft ansteigende Volumen zweitklassiger Hypothekendarlehen waren laut Joseph Stiglitz das giftige Gemisch, dass die Weltwirtschaftskrise des Jahres 2008 verursachte. Hinzu kam noch das enorme Haushalts- und Handelsbilanzdefizit der USA, die immensen Währungsreserven in Dollar in China, die zu einem erheblichen Ungleichgewicht in der Weltwirtschaft beitrugen. Diese Krise unterschied sich von denen, die ihr im vergangen Vierteljahrhundert vorausgegangen waren, dass sie ihren Ursprung in Amerika hatte. Noch einen zweiten Unterschied nennt Joseph Stiglitz: „Und während frühere Krisen eingedämmt worden waren, breitete sich die Krise „made in the USA“ rasch weltweit aus.“
Die Amerikaner lebten über ihre Verhältnisse und verschuldenten sich enorm
Zur Weltwirtschaftskrise des Jahres 2008 kam es auch vor allem deswegen, weil das reichste Land der Erde, die USA, über seine Verhältnisse lebte, wobei der konjunkturelle Höhenflug in Amerika und auf der ganzen Welt davon abhängig war. Joseph Stiglitz schreibt: „Damit die Weltwirtschaft wuchs, musste der Konsum ständig steigen.“ Aber wie sollte das funktionieren, in einer Phase, als die Einkommen vieler Amerikaner schon über einen längeren Zeitraum stagnierten.
Joseph Stiglitz erklärt, wie es zunächst dennoch funktionierte: „Die Amerikaner verfielen auf eine clevere Lösung: Sie verschuldeten sich und konsumierten so, als würde ihr Einkommen weiter steigen. Und sie verschuldeten sich ordentlich. Die durchschnittliche Sparquote fiel auf null.“ Zuerst waren alle zufrieden: Die Konsumenten konnten ihren Konsumrausch weiter ausleben, die Banken fuhren Rekordgewinne ein, da die Kreditgebühren ständig stiegen.
Die Immobilienblase platzt und die globalen Kreditmärkte brechen zusammen
Niedrige Zinsen und eine laxe Regulierung hielten die Immobilienblase am Leben. Die amerikanische Wirtschaft geriet allerdings nach und nach völlig aus dem Gleichgewicht. Zwei Drittel bis drei Viertel der Wirtschaftsleistung der USA hingen mit dem Immobiliensektor zusammen. Das war auf längere Sicht gesehen nicht tragfähig. Das Platzen der Blase wirkte sich laut Joseph Stiglitz zunächst auf die schlechtesten Hypothekendarlehen aus, zog aber schon bald den ganzen Markt für Wohnimmobilien in Mitleidenschaft.
Vom Immobiliensektor sprang die Krise auf die Finanzmärkte über. Joseph Stiglitz schreibt: „Als die Blase platzte, verstärkten sich die Effekte, weil Banken komplexe Produkte entwickelt hatten, die sie den Hypothekendarlehen gewissermaßen aufpfropften. Schlimmer noch, sie hatten untereinander und mit anderen Akteuren weltweit milliardenschwere Wetten abgeschlossen.“ Ab einem gewissen Zeitpunkt wussten die Banken nicht einmal mehr, ob das, was sie ihren Einlegern und Anleiheinhabern schuldeten, den Wert ihrer Aktiva überstieg. Nun gewährten sich die Banken auch untereinander keine Kredite mehr, die globalen Kreditmärkte brachen zusammen.
Kurzbiographie: Joseph Stiglitz
Joseph Stiglitz war Professor für Volkswirtschaft unter anderem an den Universitäten von Yale und Oxford, bevor er 1993 zu einem Wirtschaftsberater der Clinton-Regierung wurde. Anschließend ging er als Chefvolkswirt zur Weltbank. Im Jahr 2001 wurde Joseph Stiglitz mit den Nobelpreis für Wirtschaft ausgezeichnet.
Heute lehrt er an der Columbia University of New York und hat unter anderem die UN-Kommission zur Reform der internationalen Geld- und Finanzmärkte geleitet. Joseph Stiglitz hat mehrere Bücher geschrieben, darunter die Bestseller „Die Schatten der Globalisierung“ (2002), „Die Chancen der Globalisierung“ (2006) und „Im freien Fall“ (2010).
Von Hans Klumbies