Für Joachim Fels, Chefvolkswirt der US-Investmentbank Morgan Stanley, sind die Probleme in Griechenland, trotz der Milliardenkredite, noch nicht gelöst, sondern nur verschoben. Seiner Meinung nach ist die Geschichte mit dem Schuldenschnitt und dem zweiten Hilfspaket noch nicht zu Ende. Joachim Fels sagt: „Griechenland wird weiter Geld benötigen von den europäischen Partnern. Es gibt allerdings Fragezeichen, ob die Regierung die Bedingungen ihrer Geldgeber dauerhaft erfüllen kann.“ Zudem kritisiert Joachim Fels den harten Sparkurs, der den Schuldenstaaten aufgebürdet wird. Er erklärt: „Wenn man in der Rezession anfängt zu sparen, dann konterkariert man seine Sparbemühungen. Das hat in den 1930er Jahren in die Wirtschaftskrise geführt.“
Griechenland kann auf drei Wegen gerettet werden
Nur mit Sparen kommt Griechenland laut Joachim Fels nicht aus der Krise heraus, dazu braucht es auch Wachstum, das dort aber seiner Meinung nach auf absehbare Zeit nicht in Sicht ist. Für eine Lösung des Griechenlandproblems sieht der Ökonom nur drei gangbare Wege. Er sagt: „Das eine wäre ein großer Schuldenschnitt. Da haben uns die Regierungen gesagt: Das ist ausgeschlossen, Griechenland bleibt ein Sonderfall.“ Als zweite Möglichkeit betrachte Joachim Fels die so genannte Fiskalunion, die in Deutschland nicht beliebt ist, weil sie bedeutet, dauerhaft für die Schulden anderer Länder einzustehen.
Als dritte Möglichkeit käme für Joachim Fels eine monetäre Lösung in Frage – auch Inflation genannt. Joachim Fels erklärt: „Man kann auch sagen: Die Notenbank muss einschreiten, um den Staaten bei der Finanzierung ihrer Schulden zu helfen. Wenn man diese Lösung auch nicht will, muss man in Kauf nehmen, dass uns der Euro auseinander fliegt.“ Joachim Fels ist fest davon überzeugt, dass ohne den ungewöhnlichen Einsatz der Europäischen Zentralbank (EZB) – vom Anleihenkauf bis zum Fluten der Banken mit Geld – die Krise sehr viel schlimmer geworden wäre.
Die hohe Staatsverschuldung ist das größte Problem moderner Industriestaaten
Joachim Fels glaubt, dass die EZB auch in Zukunft den Staaten unter die Arme greifen werden. Er erläutert: „Sie tun es indirekt schon durch die Drei-Jahres-Kredite, die sie den Banken geben. Die Institute nutzen das Geld, um Staatsanleihen zu kaufen.“ Auf Dauer werden diese Maßnahmen aber gemäß Joachim Fels nicht ausreichen. Er plädiert dafür, es dem permanenten Rettungsschirm ESM zu erlauben, sich bei der Notenbank direkt zu refinanzieren und praktisch als Bank zu agieren.
Joachim Fels vertritt die These, dass sich die Menschen an den Gedanken gewöhnen müssen, dass die Unabhängigkeit der Notenbanken nur eine historische Episode war. Die Unabhängigkeit, die man ihnen erst in den letzen 20 bis 25 Jahren gewährte, diente vor allem dazu, die Inflation zu bekämpfen. Heute ist allerdings das größte Problem moderner Industriestaaten ihre hohe Staatsverschuldung. Joachim Fels erläutert: „Also werden die Notenbanken, die ja Teil des öffentlichen Sektors sind, von den Regierungen dazu instrumentalisiert, das Schuldenproblem zu bewältigen. Mit der Unabhängigkeit der Notenbanken ist es dann nicht mehr weit her.“
Von Hans Klumbies