George Joseph Stigler glaubte, dass Verordnungen und andere Eingriffe des Staates fast ausschließlich aufgrund und zum Nutzen einflussreicher Interessengruppen erlassen werden. Der Ökonom war ein enthusiastischer Datensammler. Nur durch ständig wachsendes Wissen über die Umgebung können die Ökonomen, George Joseph Stigler zufolge, die jeweilig Mechanik und die makroökonomischen Wirkungen von Interventionen aller Art aufzeigen und durch die Auswertung empirischer Daten dann auch die Theorien zu verbessern suchen. Das ist auch der empirisch-positivistische Ansatz der Chicago Scholl of Economics, die George Joseph Stigler mitbegründet hatte. Sein Leitspruch lautete: „Die wahre Aufgabe des Ökonomen besteht nicht darin, der Gesellschaft zu sagen, wonach sie suchen soll. Sie besteht eher darin, die Gesellschaft zu unterstützen, ihre Ziele effizienter zu erreichen.“
Die Ökonomie der Mindestlohngesetze
Der Ansatz der Chicago School of Economics unterscheidet sich grundlegend vom methodologischen Individualismus der so genannten Österreichischen Schule, wie sie beispielsweise der Ökonom Friedrich August von Hayek vertrat. Zu den einflussreichsten Werken von George Joseph Stigler zählt sein Essay über die „Ökonomie der Mindestlohngesetze“ von 1946. Er unterzieht darin die meist als große soziale Errungenschaft gelobte Mindestlohnpolitik einer scharfen Kritik. Vor allem weist er auf deren negativen Einfluss auf die Verteilung der Ressourcen und das Einkommen der Haushalte hin.
George Joseph Stigler wies nach, dass zwischen veränderlichen relativen Löhnen und abnehmender Armut keinerlei Zusammenhang besteht und dass der Effekt von Mindestlöhnen auf die Arbeitslosigkeit kaum eine Rolle spielt. Bei seinen Studien stieß George Joseph Stigler auch auf die erstaunliche Tatsache, dass bei nahezu homogenen Gütern unterschiedliche Preise bestehen. Daraus folgerte er, dass es eigentlich nur die Kosten der Information sein können, die solche Preisdifferenzen rechtfertigen.
Der Ökonom und der Staat
Er erklärte auch, warum häufiger nachgefragte Güter weit weniger im Preis variieren als seltener gekaufte Waren desselben Wertes. Die Preisdifferenz repräsentiert für ihn den Grad der jeweiligen Marktinformation. Laut George Joseph Stigler lohnt sich die Suche nach dem besten Angebot kaum für Menschen, deren Zeit einen hohen Wert hat, während sich ein zusätzlich eingeholtes Preisangebot bei denjenigen, deren Zeit relativ billig ist, in den meisten Fällen bezahlt macht.
1965 wurde George Joseph Stigler zu einem der jüngsten Präsidenten der American Economics Association gewählt. In seiner Antrittsrede „Der Ökonom und der Staat“ griff er scharf den eigenen Berufsstand an. Er wies nach, dass selbst die Klassiker der Ökonomie des 18. und 19. Jahrhunderts, den staatlichen Eingriffen in die Wirtschaft noch überwiegend ablehnend gegenüberstanden und keinerlei empirische oder irgendeine andere theoretische Fundierung ihrer Position boten. Aber auch die zeitgenössischen Ökonomen, die staatliche Eingriffe aller Art empfehlen, haben keine empirische oder gar theoretische Rechtfertigung zu bieten.
Kurzbiographie: George Joseph Stigler
George Joseph Stigler wurde am 17. Januar 1911 in Renton, einer Vorstadt Seattles im amerikanischen Bundesstaat Washington geboren. Sein Studium der Wirtschaftswissenschaften schloss er 1938 an der University of Chicago ab. Seinen ersten großen Erfolg erzielte der Ökonom mit seinem Lehrbuch zur Preistheorie „The Theorie of Price“, das er 1946 veröffentlichte. 1958 nahm er an der University of Chicago die Walgreen Stiftungsprofessur an, wo auch seine Studienfreunde Milton Friedman und W. Allen Wallis lehrten.
Dieses Professorentrio begründete in den späten fünfziger Jahren die berühmte Chicago School of Economics. 1982 erhielt George Joseph Stigler den Nobelpreis der Ökonomie. Sein wissenschaftlicher Ruhm beruht vor allem auf seinen Arbeiten zur Informationstheorie, der Betriebs- und Industriestrukturtheorie und auf seinen empirischen Untersuchungen zur Wirkung wirtschaftspolitischer Eingriffe. George Joseph Stigler starb am 2. Dezember 1991.
Von Hans Klumbies