Frank Mattern, Leiter McKinsey Deutschland, meint, dass die Währungsunion die deutsche Wirtschaft beflügelt hat. Die Peripherieländer wie Griechenland, Irland, Portugal sind dabei allerdings einer Geldillusion erlegen. Sie brauchen seiner Meinung nach dringend so etwas Ähnliches wie einen Marshallplan. Die Debatte über die Eurokrise wird derzeit von der Rekapitalisierung der Banken und von immer neuen Rettungspaketen bestimmt. Diese Maßnahmen lösen aber laut Frank Mattern nicht das grundlegende Problem – die geringe Wettbewerbsfähigkeit der Peripheriestaaten und die daraus hervorgehenden negativen Leistungsbilanzen. Frank Mattern fügt hinzu: „Die Staatsschulden sind zu hoch, und es besteht ein Bedarf an Strukturreformen. Und wir haben zwar einen einheitlichen Währungsraum, aber immer noch jeweils nationale Regulierung.“
Die Probleme der Peripheriestaaten lassen sich nicht in kürzester Zeit lösen
Frank Mattern gibt allerdings zu, dass man die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes nicht innerhalb kurzer Zeit verändern kann. Er erklärt: „Wir haben in Deutschland nach der Agenda 2010 mehrere Jahre gebraucht, bis die positiven Wachstumseffekte sichtbar wurden.“ Die Politik darf seiner Meinung deshalb nicht den Eindruck erwecken, die Probleme der Peripheriestaaten ließen sich in kürzester Zeit lösen. In Irland, Portugal und Spanien werden gemäß Frank Mattern die Probleme mutig angegangen, in Griechenland ist die Lage allerdings nach wie vor höchst prekär.
In einer Untersuchung über die Eurozone gelangt McKinsey Deutschland zu sehr positiven Auswirkungen des Euro für die deutsche Wirtschaft. Frank Mattern erklärt: „Wir kommen zu dem Ergebnis, dass die Währungsunion allein im vergangen Jahr das deutsche Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 165 Milliarden Euro gestärkt hat. Das sind rund 6,6 Prozent des BIP.“ Über den Zeitraum der letzten Dekade verdankt Deutschland laut der McKinsey-Studie rund ein Drittel seines Wirtschaftswachstums dem Euro. Deutschland hat also maßgeblich von der Einführung des Euros profitiert.
Die Investoren haben über viele Jahre die Risiken vernachlässigt
Frank Mattern erklärt, woher die enormen Gewinne Deutschlands aus der Währungsunion kommen. Er sagt: „Sie stammen zu einem kleinen Teil daraus, dass Transaktionskosten und Kosten für die Währungsabsicherung innerhalb Europas weggefallen sind. Zudem hat der Handel in der Währungsunion nach Einführung des Euro deutlich zugenommen.“ Der größte Teil des Gewinns von 113 Milliarden Euro ist laut Frank Mattern der Tatsache geschuldet, dass die D-Mark an den Devisenmärkten stärker gewesen wäre als es der Euro gewesen ist.
Deutschland hat gemäß Frank Mattern als Exportnation auch davon profitiert, dass die historisch einmalig niedrigen Zinsen in den Peripherieländern Europas dort den Konsum und die Investitionen auf Pump beflügelt haben. Frank Mattern sagt: „Jetzt sitzen die Staaten auf den Schulden, und die Zinsen steigen wieder. Man könnte auch von einer Art Geldillusion sprechen.“ Den Investoren, die in Staatsanleihen der Peripheriestaaten investiert haben, gibt Frank Mattern eine Mitschuld an den aktuellen Problemen. Er sagt: „Letztlich haben die Investoren viele Jahre nicht richtig auf die Risiken geschaut.“
Von Hans Klumbies