Der Arbeitsplatz ist entscheidend dafür, welche soziale Stellung ein Mensch in der modernen Gesellschaft einnimmt. Dabei bestimmt der Job nicht nur die Höhe des Einkommens, sondern gleichzeitig auch das Prestige. Überall auf der Welt scheint das fast selbstverständlich zu sein, obwohl dies in früheren Zeiten ganz anders war. Früher verstanden die Menschen unter Arbeit Mühen und Strapazen, sie wurde gering geachtet. Im Griechenland der Antike waren die Sklaven für die harte Arbeit zuständig, während sich die Bürger der Politik und den schönen Künsten hingaben. Erst in der Zeit der Reformation und Aufklärung veränderte sich die Einstellung zur Arbeit entscheidend. Der berühmte Soziologe Max Weber definierte die Arbeit wie folgt: „Sie ist der von Gott vorgeschriebene Selbstzweck des Lebens überhaupt.“
60 Prozent der Deutschen machen Überstunden
In der Gegenwart stellen sich Ökonomen und Wissenschaftler die Frage, was den Wert der Arbeit ausmacht und was die Menschen motiviert, einer bestimmten Tätigkeit nachzugehen. Dabei fällt auf, dass es seit den 1970iger Jahren in den Industriestaaten zunehmend schwieriger geworden ist, einen interessanten Arbeitsplatz zu ergattern. Zudem kann niemand mehr sicher sein, seinen Job bis ans Lebensende behalten zu können. In den Zeiten der Globalisierung verändern sich die Arbeitsbedingungen so rasant wie nie zuvor in der Geschichte der Arbeit.
Da eine interessante Arbeitsstelle in der heutigen Gesellschaft hohes Ansehen genießt, setzen sich die Arbeitnehmer hart dafür ein, diesen Job auch zu behalten. Gemäß einer Studie der Unternehmensberatung Towers Perrin machen über 60 Prozent der Deutschen Überstunden und würden für ihren Chef auch in eine andere Stadt umziehen, wenn dies nötig werden sollte. Während der Weltwirtschaftskrise sanken die Krankenstände auf einen historischen Tiefpunkt, da jeder Arbeitnehmer Angst davor hatte, im Krankheitsfall als einer der ersten entlassen zu werden.
Gute Arbeit entspringt meist dem inneren Antrieb
Heute entscheiden manchmal nicht das Können und das Wissen eines Menschen darüber, ob er einen gefragten Arbeitsplatz bekommt oder nicht; viel wichtiger sind in manchen Fällen das Vermögen und das Netzwerk, ob jemand einen interessanten Arbeitsplatz mit hohem Sozialprestige erobern kann. Es gibt inzwischen sogar Fälle, in denen gesellschaftlich wertvolle Jobs umsonst ausgeübt werden, wenn der Partner genügend Geld verdient, so dass ein Zweiteinkommen nicht benötigt wird. Der Wettbewerb um diese Jobs wird immer rauer.
Die meisten Menschen werden allerdings vordergründig noch immer vom Geld motiviert, einem bestimmten Job nachzugehen. Der Psychologieprofessor Tom Tyler von der New York Universität sagt: „Tatsächlich lässt sich feststellen, dass Individuen oft härter arbeiten, wenn sie besser bezahlt werden.“ Allerdings ist der Einfluss der Höhe des Einkommens auf die Motivation der Arbeitnehmer begrenzt. Tom Tyler schreibt: „Wenn Beschäftigte besonders gute Arbeit leisten, dann liegt dies vor allem an ihrem inneren Antrieb.“
Der Verlust des Arbeitsplatzes macht unglücklich
Laut dem amerikanischen Glücksforscher Mihaly Csikszentmihalyi ist der Mensch dann am glücklichsten, wenn er ganz in seiner Arbeit aufgeht, und dabei das Gefühl entsteht, dass er ein Teil von etwas Bedeutenderem sein als nur er selbst zu sein. Mihaly Csikszentmihalyi nennt diesen Zustand das Flow-Gefühl. Auf der anderen Seite werden Menschen oftmals sehr unglücklich, wenn sie ihren Arbeitsplatz verlieren. Der amerikanische Wirtschaftswissenschaftler Jeremy Rifkin warnt: „Wer keine oder nur noch gelegentlich eine Erwerbsarbeit findet, fühlt sich häufig nutz- und wertlos, viele werden sogar krank.“
Viele Menschen empfinden einen starken Stress, wenn sie keinen angemessenen Arbeitsplatz mehr finden, da sie sich für ihre missliche Lage selbst die Schuld zuschreiben. Doch mit der Realität der modernen Arbeitswelt hat dieses Gefühl meistens sehr wenig zu tun. Die Arbeitslosigkeit in den Industrienationen lässt sich oftmals auf den Innovationsreichtum der Unternehmen und den dadurch verursachten schnellen Produktszuwachs zurückführen. Nur ein lang anhaltendes Wirtschaftswachstum von rund 3 Prozent kann zur Entstehung einer wirklich relevanten Anzahl neuer Arbeitsplätze beitragen. Das durchschnittliche Wachstum aller Industrienationen betrug im 20. Jahrhundert allerdings nur 1,5 Prozent.
Von Hans Klumbies