Laut Tim Jackson befindet sich die Menschheit in einer Krise, die umfassend und heimtückisch ist. Genauer gesagt, sind es sogar zwei Krisen. Ganz unmittelbar nennt er zuerst die Weltwirtschaftskrise, in der die Arbeitslosigkeit den Lebensstil der Menschen bedroht. Hinter dieser unmittelbaren Bedrohung erkennt er die Gefahr einer ökologischen Krise. Die Arbeit ist für Tim Jackson nach wie vor wichtig, da viele Menschen über ihren Job ihre Identität definieren. Deshalb ist auch die Arbeitslosigkeit so bedrohlich. Tim Jackson schreibt: „Der Verlust des Arbeitsplatzes löst auch seelischen Schmerz aus. Immer noch ist das eine Situation, die unser Selbstvertrauen erschüttert, unsere soziale Welt bedroht.“ Tim Jackson ist Professor für Nachhaltige Entwicklung am Zentrum für Umweltstrategien der Universität Surrey.
Jeder Mensch sollte in der Gesellschaft eine bestimmte Funktion erfüllen
Das Risiko, arbeitslos zu werden, steigt in einer ungleichen Welt. Das Stigma der Arbeitslosigkeit macht sich für Tim Jackson vor allem im sozialen Vergleich bemerkbar. Je schärfer dieser Vergleich, desto verletzender ist das Stigma für den Betroffenen. Tim Jackson erklärt: „In allen Gesellschaften, die wir kennen, wie gerecht sie auch sein mögen, ist es für den Einzelnen wichtig, in der Gesellschaft eine bestimmte Funktion zu haben.“ Er plädiert dafür sich im Leben auf das Wesentliche zu konzentrieren, um dadurch die Belastbarkeit bei Erschütterungen von außen zu erhöhen.
Für Tim Jackson ist es bezeichnend, dass Menschen, die mit einem eher bescheidenen Lebensstil experimentieren, glücklicher zu sein scheinen als solche, die dem Materialismus frönen. In der Kultur des Konsums der Gegenwart scheint ein anspruchsloser Lebensstil fremdartig zu sein. Dennoch ist diese Art der Lebensführung möglicherweise der Weg für einen gerechteren und bleibenden Wohlstand. Tim Jackson schreibt: „Die Aufgabe, die sich hier wie auch bei akuten Krisen stellt, heißt Umbau – und zwar auf individueller, gesellschaftlicher und institutioneller Ebene.“
Tim Jacksons Definition des Wohlstands
Gemäß Tim Jackson muss der Wohlstand von Grund auf neu errichtet werden. Er definiert den Wohlstand wie folgt: „Über die Versorgung mit Nahrung und Obdach hinaus besteht Wohlstand in der Fähigkeit, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen, in dem Bewusstsein, dass wir Vorstellungen und Ziele mit anderen teilen, in der Fähigkeit zu träumen.“ Die meisten Menschen haben sich allerdings daran gewöhnt, ihre Ziele auf materiellem Weg anzustreben. Tim Jackson fordert die Menschen auf, sich von diesem Zwang zu befreien, denn nur so sei ein Wandel des Wohlstands erreichbar.
Tim Jackson ist fest davon überzeugt, dass dieses Vorhaben nicht gelingen kann, wenn man dem Markt freien Lauf lässt. Der Erfolg des Wohlstandswandels hängt seiner Meinung nach ganz entscheidend davon ab, ob den Menschen glaubwürdige Alternativen zum Konsumismus geboten werden. Tim Jackson erklärt: „Es geht darum, den Menschen real die Fähigkeit zu geben, auf weniger materialistische Art zu gedeihen. Auf gesellschaftlicher Ebene bedeutet das, stärker in Befähigungen dieser Art zu investieren – und zwar psychisch, finanziell und emotional.“
Von Hans Klumbies