Der Ökonom Joseph Stiglitz, der im Jahr 2001 den Wirtschaftsnobelpreis erhielt, sieht für Amerika eine große Rezessionsgefahr heraufziehen. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie eintritt, liegt seiner Meinung nach bei 30 Prozent. Auch in Europa sei die Lage kritisch. Auf die Frage, ob der Euro die Krise überstehen wird, antwortet Joseph Stiglitz: „Das hängt davon ab, wie entschieden sich die europäischen Politiker zum Euro bekennen.“ Er glaubt, dass sie sich für den Euro engagieren und das Notwendige für dessen Erhalt tun werden. Joseph Stiglitz gibt zu, dass es sehr viel Geld kosten wird, die europäische Gemeinschaftswährung zu erhalten, aber noch viel teurer würde es werden, wenn die Währungsunion auseinander bräche.
Sparprogramme können Pleitestaaten nicht retten
Joseph Stiglitz fordert die Politik bei der Rettung des Euros seiner Wachstumsstrategie zu folgen. Als Beispiel dafür, wie seine Theorie erfolgreich in die Praxis umgesetzt wurde, nennt er Brasilien: „Brasilien hatte 1998 große Schwierigkeiten. Der Internationale Währungsfonds lieh Geld. Brasilien konnte es später zurückzahlen – heute hat es eine starke Wirtschaft und wenig Schulden.“ Dass die Europäische Zentralbank Staatsanleihen von Ländern wie Griechenland, Italien oder Spanien kauft, findet Joseph Stiglitz nicht schlecht. Denn er vertritt die Auffassung, dass sich die Zentralbanken nicht nur um die Inflation kümmern müssen, sondern auch um die Stabilität des Finanzsektors.
Die Sparprogramme, die einige Regierungen ihren Ländern in Europa verordnet haben, werden laut Joseph Stiglitz keine Rettung bringen. Er sagt: „Sparen hilft nicht. Das ist mehrmals probiert worden, zum Beispiel 1929 – es hat aus einem Schwarzen Freitag an der Börse eine große Depression gemacht. Der Internationale Währungsfonds hat das auch in Argentinien probiert.“ Joseph Stiglitz teilt nicht die Meinung des deutschen Bundespräsidenten Christian Wulff, der gesagt hat, dass der Sparkurs in Lettland erfolgreich war. Denn unter Ökonomen gelte Lettland als Desaster, da die Wirtschaft um mehr als 20 Prozent geschrumpft sei.
Im Bankensystem fehlt es an der notwendigen Transparenz
Joseph Stiglitz kann nicht verstehen, dass es in Europa Länder gibt, die freiwillig Geld sparen. Ihre Schuldenbremsen sind seiner Auffassung nach der falsche Weg – je rigider sie sind, desto falscher sind sie. Um Deutschland hat der Nobelpreisträger im Moment am wenigsten Angst und erklärt: „Deutschland ist noch weit weg vom Kippen, seine Schulden machen mir noch keine Sorgen.“ Joseph Stiglitz befürchtet aber, dass Europa nicht überleben wird, wenn die Steuern nicht besser aneinander angepasst werden.
Laut Joseph Stiglitz muss die Politik dafür sorgen, dass ins Bankensystem mehr Transparenz einzieht. Zudem fordert er, dafür zu sorgen, dass die Banken nicht mehr „too big to fail“ sind, zu groß für eine Pleite. Er nennt den Grund: „Solange das der Fall ist, trägt vor allem der Staat das Risiko ihrer Spekulationen. Das Risiko verschwindet ja schließlich nicht. Deshalb dürfen sich die Banken weniger per Kredit finanzieren. Sie brauchen mehr Eigenkapital, das dieses Risiko trägt.“
Von Hans Klumbies